Es ist schlicht und einfach das Recht der Frauen, die Hälfte der Macht für sich zu beanspruchen.
Dieses berühmte Zitat stammt von Alice Schwarzer, einer starken Frau, die Ihr Leben einem harten Kampf widmete, um uns Frauen heutzutage das zu ermöglichen, was wir beinahe als normal betrachten: Eine Welt, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind, in der das Geschlecht nicht die Macht besitzt, über Rechte zu entscheiden.
Dass wir Frauen die Kleidung tragen können, die uns persönlich gefällt, ein Auto fahren und einen Beruf ausüben können, war jedoch lange keine Selbstverständlichkeit. Ein langer und unerbittlicher Kampf um Emanzipation hat die Frauenwelt erst verändern müssen.
Inhaltsverzeichnis
Der lange Kampf um Emanzipation
Das Wort “Emanzipation” stammt aus dem Lateinischen und lässt sich sinngemäß als “Entlassung in die Freiheit” übersetzen. Häufig wird der Begriff der Emanzipation in unserem heutigen Sprachgebrauch auf die Rechte der Frauen bezogen, welche noch im letzten Jahrhundert derart eingeschränkt waren, dass die Frauen es sich wortwörtlich gewünscht haben “Freiheit” zu erlangen.
Bis im Jahre 1949 die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen im Grundgesetz niedergeschrieben wurde, war die Frau dem Mann lange untergeordnet und sollte sich unterwürfig verhalten, möglichst viele Kinder zur Welt bringen, zuhause putzen und kochen, die Kleidung tragen, die von ihr erwartet wurde und sich weder für Politik noch Wirtschaft, Sport oder andere “Männerthemen” interessieren.
Im Vergleich zu diesen Umständen stehen uns Frauen heute alle Möglichkeiten offen, das Leben frei nach eigenen Interessen und persönlichen Stärken zu gestalten.
Doch steht das Leben von Influenzerinnen, die heutzutage durch ihre digitale Präsenz jüngere Menschen leiten, nicht in einem grotesken Widerspruch zu dem, was viele Frauen jahrelang erkämpft haben: Emanzipation und Freiheit?
Der Widerspruch: Influenzerinnen in der heutigen emanzipierten Frauenwelt
Als Influenzer und Influenzerinnen bezeichnet man online präsente und populäre Personen, die durch ihre digitale Reichweite einen großen Einfluss auf die Menschen haben, die ihnen auf den sozialen Plattformen als Abonnenten oder Follower folgen. Dadurch können Sie Informationen, ihre eigenen Gedanken und vor allem auch ihre Meinung zu Konsumprodukten mit einem starken Multiplikatoreffekt verbieten.
Grundsätzlich lassen sich Influenzerinnen durch Ihr Auftreten als Werbeträger von Unternehmen als starkes Werbeelement benutzen. Oft machen sie produkplatzierte und bezahlte Werbung für bestimme Konsumprodukte und betonen gleichzeitig dieses aus echter Überzeugung zu machen. Dadurch lassen Sie sich für Geld Ihre eigene Meinung wegnehmen.
Die Bedeutung der Bezeichnung Influenzerin lässt sich von dem englischen Verb “to influence” ableiten, was so viel wie beeinflussen bedeutet. Somit nehmen Influenzerinnen vielen jungen, leicht beeinflussbaren Mädchen ihre eigene Meinung zu Styles und Produkten und pflanzen ihnen unauffällig die Werbeversprechen der Unternehmen in den Kopf.
So wird jungen Mädchen nicht nur vorgelebt, wie man sich verhalten, sich kleiden und schminken soll, sondern auch welche Produkte empfehlenswert sind. Das bedeutet genau das Gegenteil von Freiheit und Selbstbestimmung.
Zudem präsentieren Influenzerinnen oft ihr ganzes Leben, sie zeigen sich morgens im Bett, filmen, was sie kochen und wie sie Sport machen, zeigen wie sie sich kleiden, wie sie shoppen gehen und wie sie ihre Freizeit vertreiben. Junge Mädchen verfolgen ihr Leben und orientieren sich daran, wobei jede Frau ihr Leben auf ihre ganz eigene Art und Weise leben, sich frei entwickeln können und Stärken und Interessen ausleben sollte.
Influenzerinnen vermitteln flächendeckend meist eine ganz bestimmte Lebenseinstellung und ein gewisses Frauenbild, das dem Frauenbild aus der Zeit des zweiten Weltkriegs leider erschreckend ähnlich ist.
Influenzerinnen lehren heranwachsende Frauen ein bestimmtes Frauenbild
Viele dieser digitalen Popularitäten zeigen den jungen Fans, wie viel wichtiger als Politik oder Wirtschaft es ist, die eigene Wohnung schön und stilvoll, in femininen, hellen Farben einzurichten, zu dekorieren und zu pflegen. Sie kümmern sich um Pflanzen und dekorative Gegenstände und vermitteln nie das Bild, dass ihr Freund, Lebenspartner oder Mann bei der Inneneinrichtung auch auf irgendeine Art und Weise mitwirkt. Weiter zeigen sie sich beim Kochen, kreiert täglich neue Rezepte, die sie in den sozialen Medien präsentieren.
Wichtig ist natürlich auch, dass man Sport macht und sich gut in Form hält, um dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen und die perfekten Körpermaße zu haben. Stylen sollte man sich selbstverständlich auch, so findet man auf Plattformen wie YouTube unzählige Videos mit “Make-Up Tutorials“, in welchen verschiedene Looks erklärt werden.
Mode- ein weiteres wichtiges Thema, bei dem es wichtig ist, auf aktuelle Trends und Schönheitsideale zu achten. Dabei kann man sich einfach an Influenzerinnen orientieren, die tagtäglich ihre modischen Styles verbreiten und einem Mädchen so zeigen, wie es sich gut kleiden kann.
Und wenn eine Frau sich wenig für Schmuck, Mode, perfekte Körpermaße, Shopping und Inneneinrichtung interessiert? Dann wird es natürlich schwer für sie, in der “modernen und offenen” Welt gut anzukommen.
Das Bild, welches Influenzerinnen in den modernen Medien verbreiten ist bei näherer Beleuchtung das Gegenteil von einer modernen Weltansicht. Es zeigt eingeschränkte Freiheit und Selbstbestimmung der Frauen, ein vorgelebtes Frauenbild, an welchem sich junge Mädchen orientieren können, die dann wissen, für was sie sich interessieren sollten. Die glitzernde und schillernde Welt der Online-Stars zeigt, wenn man den glitzernden Staub erst einmal wegpustet, ein verstaubtes Frauenbild.
Das Frauenbild einer Zeit, der wir längst entkommen sind … oder doch nicht?
War der unerbittliche Kampf vieler Frauen im Endeffekt doch sinnlos, wenn wir so bereitwillig den Influenzerinnen folgen, ihre Lebenseinstellung ebenso problemlos übernehmen, wie ihre Meinung zu Produkten und uns dadurch die eigene Freiheit einschränken lassen? Vielleicht könnte man besser noch sagen: Wir schränken selbst unsere eigene Freiheit ein.
Diese unterbewusste Macht, die das Vorleben eines verstaubten Frauenbilds auf junge, heranwachsende Frauen hat, scheint, so betrachtet, stärker als Gesetze, die Frauen einschränken, da wir Frauen nicht einmal bemerken, dass wir uns einschränken lassen. Wir leben die geschenkten Freiheiten nicht vollkommen aus und würden dennoch behaupten, dieses zu tuen. Wir sprechen von einer emanzipierten Frauenwelt und lassen uns doch willenlos ein Frauenbild in die Köpfe pflanzen.